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Aus Sicht eines original 80ers

Zurück in die 80er - Freddy Krüger, Kate Bush und eine knallrote Badehose oder: Wie ein 80er-Kind die Retro-80er-Kult-Serie sieht

Kate Bush steht an der Spitze der Charts !!! Kate Bush ! Mit „Running up that hill“. Die Kate Bush ? Ungläubig reibe ich mir die Augen. Welches Jahr haben wir ? Bin ich durch irgendein seltsames Zeitportal gefallen ( oder mit Marty McFlys DeLorean :)) und zurück ins Jahr 1986 gebeamt worden ? Aber nein, ich zwicke mich in den Arm. Aua ! Das tut weh ! Unzweifelhaft ein Beweis, dass ich immer noch im Jahr 2022 bin. Aber wie konnte es dazu kommen ?

Es ist 1986. Während ich mit meiner Schwester den Abwasch mache, läuft im Radio die neue Single von Kate Bush „Running up that hill“. Martina will heute Abend mit ihrem neuen Freund ins Kino und sich „Zurück in die Zukunft“ anschauen. Alle schwärmen von diesem neuen Film; alle Mädchen sind total verknallt in den süßen Hauptdarsteller Michael J. Fox, während die Jungs auf die coole Karre von Doc Emmet Brown stehen, den schwarzen DeLorean mit eingebautem Flux-Kompensator. Nach dem Abwasch verschwindet Martina schnell stundenlang im Bad und toupiert sich ihre Haare hoch mit Massen an Haarspray. Stunden später kommt sie wieder raus und sieht aus wie eine Mischung aus Nena und Madonna. ( Ja, ihr Jugendlichen: Sie hat die Frisur von Nancy Dyer aus Staffel 4 :)).

So war das damals. Und jetzt … jetzt kommt das alles wieder: Kate Bush steht plötlich nach 30 Jahren im Jahr 2022 wieder an der Spitze der Spotify-Charts und junge Schüler kucken plötzlich alte 80er Kultstreifen wie „Nightmare on Elm Street“, „E.T.“ oder eben „Zurück in die Zukunft“. Und woran liegt´s ? „Stranger things“ ist schuld,diese weltweit erfolgreiche Serie, die jetzt schon in 4 Staffeln die Jugendlichen begeistert und den 80ern und ihren Kultstreifen und ihrer Musik zu einem Comeback verhilft.

Für mich ist das seltsam: Ich hab die 80er live als Kind und dann Jugendlicher miterlebt und nun plötzlich kommt das alles wieder: Die Filme, die Hits, aber eben auch die grausamen Frisuren und Kleidungsstücke ( Meine ältere Schwester Anne lief in Latzhosen rum, wie ein Handwerker; mein Vater hat getobt und fand das total „unmädchenhaft“.)

Aber ich oute mich jetzt mal: Ich bin ein Riesen-Fan von „Stranger Things“ und kann das sogar mit meiner 17-jährigen Tochter Paula kucken. Nicht nur dass die Serie spannend gemacht ist und mich wirklich in ihren Bann zieht, nein, was die Serie auch besser macht als viele anderen ist, wie dem Zuschauer die Figuren näher gebracht werden. Auch wie die Serienmacher sich Zeit lassen, um das Setting der 80er genau nachzuzeichnen gefällt mir, so z.B. wenn sie sich Zeit nehmen Szenen auf dem Schulball oder die Disco-Roller-Bahn genau zu zeichnen. Das ist einfach großartig und schafft Sympathien.

Und für „alte Säcke“ wie mich entpuppt sich die Serie auch als knifflige und reizvolle Rätselvorlage, in das zahlreiche Filmzitate aus Filmen meiner Jugend eingebaut wurden: Als Elfi z.B. am Anfang von Staffel 4 auf der Discorollerbahn gemobbt und mit Kakao überschüttet wird, ist das eine eindeutige Anspielung auf die blutige Schlussszene aus Stephen Kings Horror-Klassiker „Carrie“, nur dass Carrie eben nicht mit lästigem Kakao, sonderm einem ganzen Eimer voller Schweineblut überschüttet wurde. Ihre Rache war fürchterlich und erinnert wieder an Elfis übersinnliche, telekinetische Fähigkeiten. Ich könnte jetzt einen Filmlassiker nach dem nächsten aufzählen, aus dessen reichen Fundus sich die Duffer Brüder als Regissuere und Drehbuchautoren bedient haben, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Nur so viel: Als Max in Staffel 4 von Vecna in die Lüfte erhoben wird, lässt Freddy Krüger aus „Nightmare on Elm Street“ grüßen ( übrigens ein echt schlechter Fil, aber leider auch Kult ). Und so ist das ganze ein Riesen-Puzzle-Spaß (z.B. als Billy in Staffel 3 in einer knallroten Baywatch-Badehose auftritt ) und wirkt dennoch überhaupt nicht künstlich konstruiert oder – wie vieles andere bei Netflix – nach Schema F am Reißbrett entworfen, sondern hat einen richtig guten flow in der story und in der Glaubwürdigkeit der Figuren und ihrer Freundschaftsbeziehungen. Neulich kam meine Tochter Paula jetzt zu mir und wühlte in meiner alten Schallplatten-Kiste und wunderte sich: „Papa, hast du dir wegen der Serie Platten von Kate Bush gekauft ? Kann ich mir die ausleihen ? Bitt !“ Von wegen ! Diese Platten verstaubten dort schon lange – seit 1986 !!! ( G. Mond / Md)

Aus Sicht einer Schülerin

Gefangen in der Gegenwart: Gen Z will auch den 80s-Vibe spüren – wie eine Schülerin „Stranger Things“ als Retro-Trip wahrnimmt

Eben saß ich noch gemütlich auf meiner Couch, doch sobald ich den Fernseher anschalte und mir die neue Staffel von „Stranger Things“ in die Augen springt, lande ich plötzlich in Hawkins, Indiana. Sie führt einen in eine mystische Welt – aber weit mehr als das: die Serie nimmt mich als Fan auf eine Zeitreise mit. Während der 80er-Jahre-Style bei dem ein oder anderen Nostalgiegefühle erweckt, tauche ich als Teil der Gen Z in eine mir unbekannte Welt ein – eine einfachere und unbeschwertere Welt, dessen Gesellschaft nicht durch den Einfluss von social media geprägt wird. Obwohl mir beim Binge-Watchen der Serie dank Demogorgons, dem Mind-Flayer und Vecna ordentlich Adrenalin durch die Adern gepumpt wird, ist dies um ein Vielfaches entspannender als ein gewöhnlicher, hektischer Tag in der Gegenwart, in der man dauerhaft erreichbar sein muss und dem Herzinfarkt nahesteht, sobald man mal keine Internetverbindung hat. Wie die Menschen das früher wohl überlebt haben, so ganz ohne WhatsApp, Snapchat, Instagram und TikTok? „Stranger Things“ liefert die Antwort: Während der normale Bürger das Telefon, ganz retro mit Kabel, verwendet, nutzt die Clique von Dustin Walkie Talkies – etwas, das ich noch aus meiner Kindheit zum Spielen kenne. Heute wären Kinder davon mit Sicherheit nicht mehr so begeistert. Ist viel zu langweilig. Es gibt immerhin Smartphones.

Die Lebenswelt der 80er wird in typischen 80s-Filmen wie „Back to the Future“, die hoffentlich jeder kennt (wenn nicht, dann tut es mir nicht leid, wenn ihr in die Hände eines Demogorgons geratet…), authentisch aufgezeigt, aber „Stranger Things“ schafft es, diese Zeit realitätsnah zu rekreieren: Die mit Lebenslust aufgeladene Atmosphäre finde ich einfach mitreißend – die Rinko-Mania-Rollschuhbahn, die ohrwurm-garantierenden 80s Hits und natürlich typische Achtziger-Mode. Dass nicht die Gegenwart als Zeitpunkt für „Stranger Things“ gewählt wurde, kommt wohl nicht von Ungefähr. So verirren sich auch in der Gegenwart selbst bei den meisten Teenagern Mom-Jeans und andere Fashion-Pieces der 80s im Kleiderschrank. Ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis alle wieder mit Dauerwelle durch die Gegend laufen und MP3-Player statt AirPods mit sich schleppen. Nancy Wheeler und Max Mayfield sind uns da definitiv die besten Vorbilder. Und trotz Spotify und Co. sammele auch ich wieder Schallplatten – wobei selbst einige mit Spinnenweben bedeckte Kisten meiner Eltern aus dem Keller oder vom Dachboden echte Fundgruben sind. Von „You Spin Me Round“ von Dead Or Alive bis “Rock Me Amadeus” von Falco ist alles dabei.

So manche Elemente sind aber auch abschreckend für Jugendliche heute. Nicht kurz auf WhatsApp schreiben, bevor man sich trifft? Kaum vorstellbar. Die Freizeit lieber in einem „Dungeons-and-Dragons-Club“ verbringen – wie dem Hellfire-Club von dem Metalhead Eddie Munson – statt vor der X-Box zu sitzen? Warum auch? Aber Max scheint die Idee, mit irgendwelchen komischen Spielen so zu tun, als würde man irgendwelche Monster bekämpfen, zumindest genauso unnötig wie mir zu sein. Apropos Max: Lieben wir nicht alle ihren Sarkasmus? Dustin hatte doch endlich Hoffnung geschöpft, noch ein Ersatzmitglied für Lucas beim Hellfire-Club zu finden, da die depressive Max voller Vorfreude im Gesicht nach einem Mitgliedsshirt fragte. Aber dann erkennt er doch noch, dass Max das Ganze nicht so wirklich ernst genommen hatte und ihr „Dungeons-and-Dragons“ so egal ist, wie es Vecna das Wohlergehen der Menschen auf Erden ist. Ihre ironische Art ist aber nicht das Einzige, wofür sie bei mir Sympathiepunkte gewinnt. Sondern natürlich auch ihr guter Musikgeschmack. Für mich war „Stranger Things“ auch eine gute Inspirationsquelle – „Running Up That Hill“ von Kate Bush entwickelt sich gerade langsam, aber sicher zu meinem neuen Lieblingssong. Dieser Song ist – wie die neue Staffel verrät – auch der Lieblingssong von Max.

Ach, und ein Problem wäre da auch noch: die veränderte Medienwelt und ihr Einfluss auf die Jugend. Was ein Wunder, dass immer mehr Kinder und Jugendliche depressiv sind. Eins ist sicher: wir wären alle „perfekte“ Opfer, die auf Vecnas Liste stehen könnten. Mental verletzliche overthinker. Naja, ein Vorteil hat unsere Generation wohl doch: es war noch nie so leicht, so schnell den Lieblingssong abzuspielen, um dem Tod zu entfliehen.

Wenn man nicht allein schon von dem 80er-Jahre-Setting in den Bann gezogen wird, dann überzeugt zusätzlich noch die Handlung der 4. Staffel rund um den angsteinflößenden Antagonisten Vecna mit seinem Plan der Vernichtung der Menschheit, Max als eins seiner Opfer und Eleven, die unfreiwillig unter den Zwängen von Dr. Martin Brenner, ihrem „Papa“, ihre Superkräfte wiedergewinnen soll. Am Ende der Serie vervollständigt sich das Puzzle: Die vielen verschiedenen Handlungsstränge setzen sich zu einem organisch-durchorganisierten Netz zusammen – wie Vecnas Tentakel.

Bleibt zum Schluss noch eine Frage zu klären: Flackert bei dir schon ein Licht? Oder genauer gesagt: Nehmen wir Lengerich vielleicht zu eindimensional wahr und befindet sich auch unter uns eine düstere Unterwelt, die von Zeit zu Zeit Verbindung zu uns aufnimmt, genau wie die Trends der 80s, die heute bei mir und vielen von uns Jugendlichen wieder beliebt sind?